Jobs mit Sinn sind populär – nicht nur für die Generation Y. Welchen Fragen muss sich die Personalwirtschaft im sozialen Sektor stellen? Heldenrat stellt einige davon vor – und 42 neue Jobangebote.
Das Thema “Jobs mit Sinn” ist in aller Munde. Nicht erst seit dem – zumindest gemessen an der medialen Aufmerksamkeit – überwältigenden Erfolg von Talents4Good ist an vielen Stellen eine tiefe Sehnsucht nach der Verbindung von wirtschaftlichem und sozialen Handeln spürbar. Ob es sich dabei um ein vorübergehendes Phänomen, eine selbst-zentrierte Beobachtung innerhalb unserer Speckgürtel-“Blase” oder am Ende um eine dauerhafte Entwicklung mit Substanz handelt, wird die Zeit zeigen.
Wir beim Heldenrat freuen uns natürlich über diese Entwicklung. Menschen für gesellschaftliches Engagement zu motivieren und dabei die Verbindung aus wirtschaftlichem und sozialem Handeln zu befördern, bildet seit jeher den Kern unserer Mission. In unserer Rubrik “Jobs mit Sinn” zeigen wir auch immer mal wieder das breite berufliche Spektrum auf – aktuell wieder mit 42 neuen Angeboten.
Die Diskussion sehen wir nicht nur als Ausdruck eines sich verändernden gesellschaftlichen Bewusstseins, sondern auch als Ausdruck einer stärker werdenden Professionalisierung der Personalwirtschaft im sozialen Sektor. Uns drängen sich aber auch Fragen zu deren weiteren Entwicklung auf, die wir nicht unerwähnt lassen wollen:
Transparenz der Personalwirtschaft im dritten Sektor
In Deutschland arbeiten bereits heute zwischen 2,5 und 3 Millionen Menschen im sog. Dritten Sektor – das Phänomen, mit gesellschaftlichem Nutzen den eigenen Broterwerb zu sichern, ist also keineswegs neu. Doch der Sektor und seine Beschäftigtenstruktur sind weitgehend intransparent. Zugänge, Entwicklungsmöglichkeiten und Vermittlungsoptionen erscheinen wenig nachvollziehbar. Wie kann diese Intransparenz überwunden werden, wie kann der Sektor – der immerhin die Größe der deutschen Baubranche hat – auch von der Personalwirtschaft und ihren Ansätzen systematisch weiter erschlossen werden?
Attraktivität nach außen
Viel ist derzeit die Rede davon, dass es eine Menge Talente für die neuen Sozialunternehmen gibt. Die Frage, die sich die etablierte Sozialwirtschaft und mit ihr der Dritte Sektor stellen, lautet: Wie bekommen wir diese Talente zu uns? Was muss ein Ortsverband der Arbeiterwohlfahrt tun, um einen erfahrene Marketing-Experten aus Unternehmen für sich zu gewinnen? Wie kann eine städtische Diakonie interessanter werden für unternehmerisch denkende Persönlichkeiten mit der Erfahrung mehrerer Gründungen, um diese Expertise für sich nutzbar zu machen?
Eigene Potentiale heben
Davon ausgehend, dass unter den mehreren Millionen Menschen im Dritten Sektor selbstverständlich nicht weniger kreative, talentierte, innovative und spannende Persönlichkeiten sind als in anderen Bereichen, muss gefragt werden: Wie können diese Menschen identifiziert und aktiv gefördert werden, um ihre gesellschaftliche Wirkung noch weiter zu steigern? Wie können die Netzwerke zwischen diesen Menschen aussehen? Wie sieht Personalentwicklung in und zwischen den häufig kleineren Organisationen aus?
Fachkräfte wofür?
Wer sich die gängigen Jobbörsen für den sozialen Bereich anschaut, stellt schnell fest: Die beliebten General Management-Positionen sind rar gesät. Zumeist wird eine je spezifische Fachkompetenz gefordert und selbstverständlich ist der laut beklagte Fachkräftemangel auch dort deutlich sichtbar. Gerade jüngeren Menschen aus fachfremden Ausbildungsgängen fehlt diese Expertise jedoch häufig und es ist vielleicht zu befürchten, dass die Zukunftsversprechen an der falschen Stelle gemacht werden. “Die jungen (Entrepreneure) schaffen sich ihre Stellen selbst” kann als Antwort angesichts geringer Fallzahlen und ökonomisch instabiler Erfolgsaussichten nur wenig befriedigen. Wenn wir eine systematische Personalarbeit im Dritten Sektor befördern wollen, müssen wir uns daher fragen, welche konkreten Kompetenzen an welchen Stellen benötigt werden und wie die Ausbildungs- und Besetzungswege zur Erlangung dieser Kompetenzen aussehen. Auch wenn dies mitunter zu schmerzhaften Ernüchterungen führt.
Verantwortung in der Berufsempfehlung
Nachdenklich werden wir bei der aktuellen Euphorie um das Thema Sozialunternehmertum, die in der populären Berichterstattung häufig mit Sätzen wie “Gutes tun und Geld verdienen” verkürzt dargestellt wird. Weniger Eingeweihten entgeht dabei mitunter, dass dies trotz einzelner Erfolgsgeschichten in aller Regel ein ökonomisch enorm harter Weg ist. Wir setzen uns seit unserer Gründung für soziales Unternehmertum ein und sind davon überzeugt – wir wissen aber auch von zuvielen gescheiterten Gründungen, aufgebrauchter Altersvorsorge, prekären Beschäftigungssituationen und enormem Druck, als dass wir gerade jungen Ausbildungsabsolventen diesen Schritt ohne vorherige sorgfältige Abwägung anraten könnten. Dass der soziale Sektor jobtechnisch derzeit noch“wenig Licht und viel Schatten” bietet, ist ohnehin bekannt und manche Sinnjobs entpuppen sich scheinbar sogar als Sackgasse. Daraus leitet sich die Frage ab, nach welchen ethischen Kriterien wir Institutionen des “Speckgürtels” den Weg in den sozialen Sektor empfehlen. Müssen wir uns in Beratung und Lehre nicht in einer verantwortlichen Position sehen, die neutral über die faszinierenden Chancen, aber auch die Risiken aufklären sollte?
Thema für Eliten?
Die Diskussion um junge Talente für den sozialen Sektor benennt derzeit in aller Regel Beispiele von Hochschulabsolventen, häufig mit faszinierenden Lebensläufen. Ähnlich wie im gewerblichen Bereich müssen wir uns allerdings fragen, ob allein der Hochschulabschluss Zugang zu einer Karriere im sozialen Sektor ermöglicht. Hilfe für die Gesellschaft und ihre Menschen wird vermutlich immer mehr Menschen mit einer Ausbildung in konkreter “Hilfe” brauchen als in – überspitzt formuliert – MBA-Experten für strategisches Management. Wie gelingt es uns aber, diese unterschiedlichen Karrierewege miteinander zu verbinden? Angesichts vieler enttäuschter Hoffnungen beispielsweise von Pflegekräften und Sozialarbeitern, die trotz weiterführendem Studium kaum signifikante Weiterentwicklungen vorweisen können, ist diese Frage brennender denn je. Aus dem Anspruch, eine sozialere Wirtschaft zu ermöglichen, leitet sich die aktuelle Aufgabe in der Personalwirtschaft ab, ein weiteres Auseinanderdriften zwischen den “Eliten” im Management und den Leistungserbringern am Menschen zu verhindern.
Wir sind dabei, einen spannenden und vielfach erfüllenden Sektor in einem neuen Licht zu sehen. Dabei stellen sich weitaus mehr als nur die hier formulierten Fragen. Die Rolle von gewinnorientierten Unternehmen bei der Generierung von “sinnvollen” Arbeitsplätzen, die Durchlässigkeit der Bereiche untereinander bei der Ermöglichung neuer Karrierewege oder die gesellschaftliche Akzeptanz attraktiverer Vergütungsmodelle im sozialen Sektor sind nur einige Stichworte dafür.
Letztgültige Antworten können sicher nicht im Rahmen eines einzelnen Blogpostings formuliert werden. Notwendig ist vielmehr ein erfahrungsbasierter Dialog zwischen verschiedenen Welten: Sozialer Sektor und Wirtschaft, “alte” und “neue” Sozialwirtschaft und nicht zuletzt alle zusammen mit Politischen Institutionen. Voneinander lernen, gemeinsam agieren, Ressourcen zusammen nutzen – das sind mögliche Handlungsansätze. Wir sind gern dabei, diesen Dialog zu unterstützen und Welten zu verbinden.